1961-1969

STEUTE – Wilhelm Schmidt KG

Wir nannten unser neues Unternehmen „Steute“, Rose + Sölken KG“. „Steute“ steht für „steuerungs-technische“ Schaltgeräte. Wir starteten mit 3 Gesellschaftern: Wilhelm Schmidt mit 40 % Geschäftsanteilen als Geldgeber (40.000 DM), Gerhard Sölken und Friedhelm Rose als tätige Gesellschafter. Wir fingen bei „Null“ an, es gab keinerlei Umsatz und die Produkte, einen Endschalter ungekapselt und gekapselt. Um die knappe Kapitaldecke nicht zu sehr zu strapazieren und um Zeit zu gewinnen, fragte ich meinen früheren Lehrherrn, Herrn Heuser von der Firma Langbehn in Minden, ob ich ein Jahr bei ihm arbeiten könne. Als ich ihm den Grund nannte fragte er mich, ob er sich an unserer neuen Firma beteiligen könne. Das lehnte ich ab. Er meinte, die zuletzt bei Bernstein verdienten 900 Mark im Monat würden seinen Gehaltsrahmen sprengen, aber 550 Mark könne er mir anbieten. Mir blieb keine andere Wahl und sagte zu.

1961 zurück für ein Jahr bei meiner Lehrfirma Langbehn, um die Familie beim Start von steute ernähren zu können.

Mein Arbeitstag betrug in der Zeit von April 1961 bis zum März 1962 sechzehn Stunden. 8 Stunden arbeitete ich für Langbehn und dann weitere 8 Stunden für unsere neue Firma. Schon damals praktizierte ich Home-Office. Nach Fertigstellung der ersten Prospekte verfasste ich Werbebriefe. Aus dem Branchenbuch „Wer liefert was“ suchte ich mir Adressen potentieller Kunden heraus und verschickte Briefe mit Prospekten. Später als nach Monaten die ersten Aufträge kamen montierte ich Endschalter auf dem Küchentisch. Wenn immer möglich fuhr ich für die zweite Schicht nach Bad Oeynhausen. In einer still gelegten ehemaligen Zigarrenfabrik in der Bachstraße fast im Zentrum der Stadt hatten wir einen Werkraum von ca. 100 qm Größe angemietet, dazu ein kleines Büro mit etwa. 20 qm Größe. Neben meiner Werbetätigkeit war meine Aufgabe in den ersten 3 Jahren das Waschen und lackieren der Metallgehäuse für unsere Endschalter. Im Keller hatten wir einen Raum gemietet, einen alten Küchentisch hineingestellt und ein Drehkreuz darauf montiert. Lackierroste haben wir uns ebenfalls selbst gebaut: Holzrahmen in der Größe 50×50 cm und darauf Maschendrahtgeflecht 15×15 mm genagelt. Verarbeitet wurde selbsttrocknender Lack mit Hammerschlag-Effekt. Durch Beimischung von Silikon Partikeln entsteht bei Hammerschlag-Effekt Lack eine Oberfläche mit „Hügel und Tälern“, die Unebenheiten des lackierten Materials verdeckt.

Als Lackiergerät hatten wir ein kleines Chiron Niederdruck Spritzgerät, das man sich über die Schulter hängt. Eigentlich wurde dieses Gerät für die mobile Lackierung an Stellen entwickelt, wo kein Kompressor zur Verfügung steht. Es gab natürlich keine Absaugung für die beim Nasslackieren entstehenden gesundheitsschädlichen Dämpfe. Es gab auch keine Heizung im Kellerraum. Ich öffnete einfach die Fenster, damit die Dämpfe abziehen konnten. Im Winter lag draußen Schnee und es wurde im Kellerraum sehr kalt. Da ich auf das Öffnen der Fenster nicht verzichten konnte wickelte ich mir dicke Wolllappen um die Füße. Als es immer mehr wurde band ich mir ebenfalls einen Lappen als Maske vor das Gesicht, damit die Lackdämpfe etwas gefiltert wurden, bevor ich sie einatmete. Man muss bedenken, dass der Markt für Endschalter damals mit einer Reihe von prominenten Firmen schon gut besetzt war. Neben Bernstein, von denen wir kamen, gab es die Firma Schmersahl in Wuppertal, Elan in Düsseldorf, Siemens, Telemecanique, Honywell und andere. Es war alles andere als leicht, sich gegen diese großen „Player“ durchzusetzen.

Nach einem Jahr wagten wir trotzdem den nächsten Schritt, nämlich die Aufgabe meiner Tätigkeit für die Firma Langbehn, so dass ich neben Gerd Sölken meine ganze Kraft unserem Unternehmen widmen konnte. Der Umsatz wuchs ganz langsam, es ging in ganz kleinen Schritten. Im Jahr 1963 gelang es uns, einen heimischen Kunden zu gewinnen. Die Firma Torwegge Holzbearbeitungsmaschinen hier in Bad Oeynhausen benötige für ihre für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlichen Holzbearbeitungsmaschinen Maschinen Endschalter, die es am Markt nicht gab. Gerd Sölken entwickelte einen Spezial-Schalter nach den Wünschen des Kunden. Aluminium-Druckgussformen konnten wir uns damals nicht leisten. Wir entschieden uns für Gehäuse aus Grauguss. Die Gießmodelle waren günstig, dafür aber die Bearbeitung eine „Schweinerei“. Ich war für die Rohbearbeitung zuständig. Die Gehäuse mußtem an Schleifmaschinen sauber geschliffen werden. Wie schon beim Lackieren gab es auch an der Schleifmaschine keine Absaugung. Meine damals modernen „Nyltest Oberhemden wiesen nach dem Waschen immer wieder kleine Rostflecken auf vom Schleifstaub, der sich im Gewebe verfangen hatte. Ich lernte Guss bohren und fluchte über die harten Stellen, die die Spiralbohrer blau anlaufen ließen. Das anschließende Gewindeschneiden war noch problematischer, wie oft brach ein Gewindebohrer ab. Das ergab Ausschuss, den wir uns eigentlich nicht leisten konnten.

steute 1961

Was ich weder in der Theorie noch in meiner kaufmännisch-technischen Lehre nicht gelernt hatte lernte ich jetzt auf dem harten Weg. Ich war in den Jahren zuständig für den Vertrieb, den schmutzigsten Teil der Produktion, für das Verpacken und den Versand – kurz gesagt „das Mädchen für alles“. Gerd Sölken war für die Technik zuständig und natürlich auch für die Produktion mit mir als „Lehrling“. In den Anfangsjahren von STEUTE hatte unser Mehrheitsgesellschafter Wilhelm Schmidt uns gefragt, ob wir ihm einen Teil unserer Anteile zeitweise übertragen würden, da wir mit den Anlaufverlusten nichts anfangen könnten, er sie aber mit anderen Gewinnen verrechnen könne. Wir willigten ein und übertrugen ihm die Hälfte unserer Anteile, nämlich jeder 15%. Somit war die Verteilung der Geschäftsanteile: Wilhelm Schmidt 70%, Gerd Sölken und Friedhelm Rose je 15 %. Es gab eine klare mündliche Absprache, dass zurück geändert wird, sobald Gewinn zu erwarten ist. Im Jahr 1963 war es soweit. Es gab einen kleinen Gewinn und es war abzusehen, dass im Folgejahr 1964 ein besserer Gewinn zu erwarten ist. Wir sprachen Herrn Schmidt auf seine Zusage an, die Gesellschaftsanteile ab dem Geschäftsjahr 1964 wieder auf den ursprünglichen Stand zu vereinbaren. Er weigerte sich, wollte nichts ändern. Wir beide hielten Kriegsrat, was wir tun sollten. Wir waren uns einig, dass Herr Schmidt ohne uns das Unternehmen nicht fortführen kann konnten aber nichts ausschließen, dass er es liquidiert. Bevor wir Druck ausüben konnten mussten wir etwas anderes im Rücken haben. Ich verhandelte mit einer Versicherungsagentur, Dr. Schmidt und Erdsiek, die einen Nachfolger suchten. Meine Chancen standen nicht schlecht, aber ich war mir klar darüber, dass mich Technik mehr interessiert als eine Tätigkeit als Versicherungsvertreter. Außerdem wäre das eine Lösung für mich allein gewesen, keine für Gerd Sölken.

In Vlotho gab es eine Firma, dessen Gründer und Inhaber ebenfalls die 60 überschritten hatte und Nachfolger suchte. Es handelte sich um die Firma Kahre, Kunststofftechnik. Wir kamen ins Gespräch und beschlossen, die Kunststofftechnik zunächst näher kennen zu lernen. Wir vereinbarten, an drei Abenden in der Woche nach Arbeitsschluss in Bad Oeynhausen nach Vlotho zu fahren und die Arbeit an Kunststoff-Spritzgussmaschinen zu erlernen. Es gab im Betrieb drei Maschinen. An einer wurden die damals üblichen Dia-Rahmen vollautomatisch hergestellt. Die anderen beiden Maschinen waren manuelle von Hand zu bedienende Maschinen. Es wurden Blumen-Umtöpfe mit durchbrochenen Seiten hergestellt. Taktgeber war eine große Küchenuhr. Alle 20 Sekunden wurde ein Umtopf fertig. War der Zyklus zu kurz war der Topf nicht komplett ausgespritzt. Bei zu langem Zyklus quoll Material aus der Form heraus und es bildete sich mehr oder weniger starker Grat. Nach etwa 3 Monaten Arbeit waren wir soweit, dass wir die Technik beherrschten.Wir suchten das Gespräch mit Herrn Schmidt. Er war sehr kooperativ, das hatten wir so nicht erwartet. Wir einigten uns auf einen Ausscheidungsvertrag. Dieser sah vor, dass wir ihm die investierten 40.000 DM in Raten innerhalb von 5 Jahren zurück zahlen. Er erhielt ferner einen lukrativen Vertretungsvertrag für die Zeit von 1964 bis 1969. Der Vertrag war deshalb lukrativ, weil die wichtigste Kunden ihren Sitz in seinem Vertretungsbereich hatten.

STEUTE Rose & Sölken KG

Nun waren wir allein. Gerd Sölken und ich verfügten über je 50 % Firmenanteile. Die Finanzierung übernahm ich indem ich auf mein Wohnhaus in Barkhausen in der Alten Poststraße einen Dispositions Kredit in Höhe von 20.000 DM aufnahm. Wir verließen die bisherigen Räume und mieteten uns in einer ehemaligen Möbelfabrik auf der Lohe, einem kleinen Vorort von Bad Oeynhausen ein. Die neuen Räumlichkeiten boten uns Platz für das Expandieren und konnten bei Bedarf durch die Anmietungen weiterer Flächen erweitert werden. 

Bald stellte sich heraus, dass wir beide sehr unterschiedliche Temperamente hatten. Ich war derjenige, der schnell weiteres Wachstum wollte. Gerd Sölken war der Supervorsichtige, der kein Risiko eingehen wollte. 

Der „Siemens“ Endschalter 

Um expandieren zu können brauchten wir weitere Produkte, das heißt größere und leistungsfähigere Endschalter. Als Gerd Sölken blockierte setzte ich ihm „die Pistole auf die Brust“: Ohne neue Schalter kein Geld. Leider war ich auf sein „Goodwill“ angewiesen. Er war der Techniker und ich konnte ihn nicht zwingen neue Produkte zu entwickeln. Ich ließ ihm keine andere Wahl, es gab den „Siemens-Endschalter“. Das heißt, es war ein Schalter der größer war als unsere bisherigen. Siemens Schalter deshalb, weil er in den Abmessungen und Leistungen einem populären Endschalter Modell von der Firma Siemens entsprach. 

Unser erster Schalter war in Abmessungen und Technik bewusst anders als Bernstein Modelle und die anderer Wettbewerber. Teils aus Stolz nicht zu kopieren, teils aus dem Bewusstsein es Kunden die sich für unsere Schalter entschieden haben schwerer zu machen, wieder zum alten Lieferanten zurück zu wechseln. 

Dar „Torwegge“ Problem 

Eines Tages rief der Einkaufsleiter der Firma Torwegge an, ein Mitarbeiter hätte ein gute Idee, wie man die bis dahin gelieferten Schalter entscheidend verbessern könne. Ich vereinbarte ein Gespräch zwischen ihm und Gerd Sölken. Er kam und mein Geschäftspartner sagte mir nach dem Gespräch, dass die Idee des Technikers von Torwegge nichts tauge und er ihm das gesagt hätte. Torwegge war damals unser mit Abstand bester Kunde, der wesentlich zum Überlegen unserer Firma in den schwierigen Anfangsjahren beigetragen hat. Wieder rief mich der uns wohl gesonnene Einkaufsleiter an und fragte mich, ob wir die seine Firma als Kunden verlieren wollen. 

Steute, Bad Oeynhausen

In der Bachstraße begann 1961 die Erfolgsgeschichte der Steute, Rose & Sölken KG

Ein Blick in die Steute-Werkstatt der 60er Jahre.

„Mein Arbeitstag betrug in der Zeit von April 1961 bis zum März 1962 sechzehn Stunden…“

Friedhelm Rose

Tätiger Gesellschafter der Steute, Rose & Sölken KG

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Über die Jahre 1970-1978 bei ROSE Elektrotechnik.